Wenn im Inneren einer Fähre eine Hydraulik anläuft, spürt man angenehm bedrohliche Geräusche im ganzen Körper. Das Wummern geht durch den ganzen Leib und erzeugt ein interessantes Unbehagen. Ein Musikstil namens drone nimmt diese genussanreichernde Ganzkörpererfahrung auf und macht daraus eine hörbare Lust am Leiden.
Drone-Musik besteht in gedehnten tiefen Tönen, die sich nur sehr langsam melodisch entfalten. Sie erinnern an schwere und gedämpfte Maschinengeräusche, die den Hörer nicht nur etwas hören, sondern durch ihre Vibration auch spüren lassen.
Sie haben beim geneigten Hörer den Effekt, das wache Ich aufzulösen und in dieser Depersonalisierung eine Lust oder je nachdem Unlust hervorzurufen. Die Auflösung des Ich wird durch die Ansprache an den Leib hervorgerufen, der wiederum durch den Vibrationssinn stark in Anspruch genommen wird.
Zugleich erzeugen die tiefen Töne ein unvordenkliches Unbehagen, das als Unlust aber durchaus anziehend und lustvoll ist. Drone als Musik führt also zu einem unterirrdischen Genuss an dem, was zwischen Angst und Bedrohung liegt. Sie lässt die darin liegende Lebendigkeit als erfreuliche Erfahrung im Unerfreulichen erleben.
Éliane Radigue ist eine Vertreterin dieser depersonalisierenden Lust an der Unlust, die angemessen in ihrem Werk Triptych erfahrbar ist. Beim Hören und Spüren spielt die Qualität der Anlage und der Lautsprecher natürlich eine großen Rolle, da der ganze Körper richtig ins Vibrieren gebracht werden muss.
Da das 24stündige Ichselbstsein auf die Dauer anstrengend ist, kann die Dronemusik hier als Auflösung des Ich in das leibliche Selbst dienen. Sie führt in die Außenbezirke des Erlebens als Beunruhigtsein, das eine grenzwertige Genusskraft hervorbringt. Drone ermöglicht einen Zugang in die Phänomenologie des Selbst über seine Auflösung. Sie ist etwas für stabile Charaktere, die nicht gerade an einer schweren Depression leiden.
Sebastian Knöpker