
Für alle offene Orte wie Parks sind tendenziell undemokratisch, weil sie Menschen anziehen, die den Park für sich in Beschlag nehmen und demonstrativ anwesend sind. Golfplätze sind dagegen an sich undemokratisch, aber trotz aller Verbotsschilder doch für jeden offen, der nicht negativ auffällt. Der Golfplatz ist ein undemokratischer Ort der Demokratie.
Offene Orte sind oft für solche Leute da, die ringsum kleine Portionen Müll in der Landschaft verteilen (Zigarettenstummel, Hundekot, Urin) und sich gerne mit einer Schallglocke verlautbaren. Sie telefonieren mit Außenlautsprechern und müssen dem Leben immer schnell noch etwas hinterherrufen, bevor es verschwindet. Das führt zu Verdrängung und Selektion, da geräuscharme Menschen von der Bildfläche verdrängt werden. Die real-elektrische Fraktion verdrängt Menschen ohne Klangteppich.
Beim Golfplatz sind die Vorzeichen andere, da er kein Ort für alle ist, also nur für zahlende Mitglieder offen sein will. Tatsächlich kann aber jeder auf den Platz gehen und wird toleriert, solange er das Spiel nicht stört. Auf dem Gelände herrscht eine angenehme Anonymität, da jeder jedem aus dem Weg geht, aus Notwendigkeit (fliegende Golfbälle) und aus sozialem Kalkül („Mind your own business.“). Der Golfplatz ist keine konfliktschwache oder konfliktscheue Landschaft, sondern eine Landschaft ohne Konflikte.
Die Verbotsschilder an den Grenzen des Golfkurses wirken so als effizienter Filter, durch den laute, grelle Existenzen nicht hindurchdringen. Merkwürdigerweise trauen sich gerade die aufdringlichen Menschen hier nicht hin, fühlen sich nicht in ihrem Element und bleiben außen vor. Die exklusive Gesellschaft der Golfer wirkt offenkundig abschreckend.
Etwas abschreckend kann auch der Charakter des Golfplatzes als Pornolandschaft sein. Pornohaftigkeit bedeutet allgemein, eine schöne, übersteigert perfekte Pseudowirklichkeit entstehen zu lassen. Die Landschaft als Porno definiert sich durch potenzierte Schönheitswirkung, welche die übliche Wirklichkeit aufhebt.
Ein typisches Pornomotiv ist so der Bauerngarten, bei dem das Grün durch beständiges Hinzufügen blühender Pflanzen aufgepeppt wird, um Üppigkeit und Schönfarbigkeit zu steigern. Ziel ist eine fotogene und vorzeigbare Wirklichkeit.
Der Golfplatz ist auch so eine unwirklich-wirkliche Landschaft. Allein die Deklination der Farbe Grün erfüllt schon das Porno-Kriterium, umso mehr die gefällige Welligkeit des Geländes, die Blickbesänftigung betreibt. Wenn es aber im Winter früh dunkel wird, dann geschieht es mit dem Golfplatz.
Zunächst betritt eine Zwischenbevölkerung den Platz, Leute mit Hund, die hastig über die Bahnen schreiten und noch die letzten Lichtstrahlen nutzen. Sie kommen immer dann, wenn die letzten Golfspieler den Ort verlassen, weil sie den Ball nicht mehr richtig sehen. Danach ist der Ort verlassen und eine angenehme traurige Verlassenheit breitet sich über ihn aus.
Der bei Tageslicht bloß schöne Platz wirkt dann weltlos und weltverlassen, eine Trostarmut, die eine Lust am eigenen Leiden hervorbringt. Kälte, dunkle Verschattung und Einsamkeit der Golfbahnen sind lastende Gefühlsgrößen, steigern aber die eigene Lebendigkeit und werden darin zu einer Selbststeigerung, die für sich angenehm ist. Steigt der Abenddunst aus dem Sandbunker auf und vermischt sich mit der nasskalten Luft, kommt es zu einer atmosphärischen Aufladung, die eine angenehme Trübung des Gemüts bewirkt. Kurz: in der Nacht ist der Golfplatz keine Pornolandschaft mehr, sondern wechselt ins ernsthafte Fach der Lust am Leiden.
Sebastian Knöpker