Loslassen, etwas mit sich geschehen lassen, ergriffen werden und sich im Nichtstun als erfüllt zu erleben sind begehrte Weisen des Erlebens, können aber oft nicht in die Tat umgesetzt werden, weil es in der Aufhebung jeden Handelns keine konkreten Handlungen gibt, die umzusetzen wären. Dieses Scheitern beruht darauf, dass Passivität als das Gegenteil von Aktivität aufgefasst wird, wodurch das Nichtstun einem Hoffen gleichkommt, dass sich die ersehnte Fülle im Geschehenlassen einstellt. Phänomenologisch betrachtet ist jedoch Passivität nicht das Gegenteil von Aktivität, sondern als Fundierung des Aktiven, als passive Synthesis, eine Form des Aktiven für sich. Die passiven Synthesen erlauben es, ergriffen zu werden, loszulassen und in der bloßen Möglichkeit, etwas zu tun, bereits eine Fülle zu erleben. Im Folgenden soll es daher darum gehen, anhand der passiven Synthesis Formen der Kultivierung der Passivität darzustellen.
Passivität bedeutet allgemein, dass etwas einer Kraft unterliegt, ohne sich dieser entziehen zu können. Diese Kraft kann von außerhalb einwirken oder ihren Ursprung im passiv Bestimmten selbst besitzen. Passivität kann im weiteren bedeuten, in Inaktivität zu verharren, was formal zunächst als Gegenteil zur Aktivität aufzufassen ist, aber nicht das Gegenteil zur Passivität als Fremdaffektion ist, insofern in jenem Bestimmtwerden die Passivität des Nichthandelns hinzutreten kann. Passivität, verstanden als Nichtagieren, bezeichnet weiterhin formal ein Verhältnis der Möglichkeiten zu Handeln zur Wirklichkeit, welches dadurch ausgezeichnet ist, diese Möglichkeiten nicht zu verwirklichen. Allerdings ist darin ein Begriff der Möglichkeit vorausgesetzt, der in dem Möglichen nur das sieht, was noch nicht verwirklicht ist. Möglichkeit kann jedoch auch bedeuten, dass es ein Bewusstsein vom Möglichen gibt, ein Fühlen des möglich Bevorstehenden, so dass Möglichkeit und Wirklichkeit sich nicht mehr gegenüberstehen, insofern das Bewusstsein vom Möglichen selbst nicht bloß möglich, sondern wirklich ist.(…)
Sebastian Knöpker
Volltextversion, 19 S. (PDF): Passivität in der Lebensphänomenologie