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Angeln als Phänomenologie

In der Phänomenologie des Angelns sagt die Phänomenologie nicht nur etwas über das Angeln, sondern das Angeln auch etwas über die Phänomenologie. Angeln ist angewandte Phänomenologie, und deswegen lässt sich daraus auch etwas über die Phänomenologie ableiten.

Angler mögen Nichtangler nicht. Sie mögen erst recht keine anderen Angler. Angler haben die Tiefkühltruhe bis oben hin mit Karpfen gefüllt. Angler sind brummig. Ja, stimmt alles, ist aber noch keine Phänomenologie.

Phänomenologisch wird es erst, wenn man einen Angler beim Fangen eines Fisches beobachtet. Hat er was an der Angel und zieht den Fisch an Land, dann wird der Fisch während des Einholens zu seinem Fisch. Das Etwas ohne Besitzer, der Fisch, wird zu meinem Fisch (aus Sicht des Anglers).

Nehme ich ihn vom Haken und haben ihn in der Hand, ist er ganz mein. Doch wenn ich ihn wieder in das Wasser werfe, so wird mein Fisch wieder zu einem Fisch. Er verliert seinen Besitzer. Dabei empfinde ich als Angler eine Gelöstheit: was von mir fest besessen wird, das lasse ich wieder los. Im Übergang von Ding zu Besitz zu Ding ohne Besitz findet sich also eine Lust, sich an die Dinge zu binden und von ihnen zu lösen.

Anders ausgedrückt zeigt sich hier die Phänomenologie des Übergangs von Haben und Nichthaben. Beim Angeln (Fangen & Freilassen) geht es also nicht um das Fangen, sondern um die Strecke „In-Besitznehmen, Meinigkeit, Vom-Besitz-Ablassen“, das als Übergang „Noch-nicht-Haben zu Haben, zu Nicht-mehr-Haben“ den Gewinn der Gelöstheit mit sich bringt.

Gelöstheit ist weder Haben, noch Nichthaben, weder Besitz noch Nichtbesitz, sondern eine Qualität, die für sich steht. Es ist kein Zustand, sondern ein Vorgang. Auch geht es nicht um den Gegenstand, der besessen wird, sondern um das Gefühl, sich zu binden und zu lösen als Souveränität und angenehmen Abstand von sich selbst.

Der Angler von der Abteilung Catch & Release will weder Haben noch Nichthaben, aber sich von sich selbst lösen, gelöst sein, und das kann er, indem er über Setzung und Aufhebung des Modus des Besitzes zum Luxus der Nonchalance gelangt. Angeln kann also als Vorgang der Phänomenologie zeigen, wie nicht der Inhalt des Handelns, sondern sein Akt von Bedeutung ist. Auch zeigt C & R, dass es nicht um das Erlebnis, sondern um den Erlebenden geht. Er will sich von sich entfernen, und dabei seine Lust in der Gelöstheit erleben.

Sebastian Knöpker