Schrottplätze sind heute entweder liebevoll verlottert oder aufgeräumte Logistikunternehmen ohne Ölflecken. Die wohlgeratenen Autoverwertungen sind zu durchgewischt, um noch eine Seele zu haben. Zugestapelte Schrottplätze haben dagegen eine beseelende Kraft.
Die Ludolfs sind die unangefochtenen Meister, aus der Kubikräumlichkeit aufgehäufter Ersatzteile etwas Unsachliches zu machen, nämlich den Ausdruck ihrer Betreiber. Leider sind die verschwitzten und verfetteten Ludolfs verschwunden. Der alte Schrottplatz wurde aufgelassen und die dazugehörige Serie eingestellt.
Stimmiger Nachfolger der Ludolfs ist die Autoverwertung Bauhaus (Freds Revier, Youtube). Schrottplatzbetreiber Alfred und Ali tragen keine knickspurige Kleidung wie die Ludolf-Brüder, aber auch sie führen die typischen Kundengespräche am Telefon, denen immer etwas fehlt. Genauer fehlen Anfang (kein Gruß), Mitte (Kunde weiß nicht, was er will) und Ende (keine Verabschiedung). Viele rufen mit der Einstiegsformel „und zwar“ oder „Frage“ an. So heißt es: „Und zwar suche ich einen Vergaser für einen Golf sechs“. Oder der Kunde spricht wie ein Brühwürfel: „Frage: habt ihr eine Heckklappe für einen Fiat Panda, Baujahr 2005?“.
Schrottplatzbetreiber Ali sieht man bei solchen Einstiegen seinen Unmut an, bei der er kurzzeitig jedes Körpergefühl verliert. Die Zuschauer fühlen hier direkt mit und haben mit ihrem Mitleid eine schöne Freude. Es ist keine Schadenfreude, sondern ein Einfühlen in das Opfer mangelnden Schliffs.
Andere Kunden zerfallen während des Gesprächs, verlieren also nicht nur den roten Faden, sondern haben Selbstauflösungserscheinungen. Ihr Diskurs zersetzt sich während des Redens. Er zersetzt sich in seiner Bildung, wovon aber nur der Eindruck der Zersetzung bleibt.
Wie die Ludolfs wird bei der Autoverwertung Bauhaus aus dem Kopf heraus gearbeitet. Ohne Computer hat Ali das Inventar im Kopf, also lauter relativ wertlose Informationen, die aber wertvoll werden, wenn er tatsächlich ein Teil vorrätig hat. Ali besitzt statt einem Unterbewusstsein ein Deponiergefühl, ein schwebendes Wissen um seine Türen und Kotflügel, sodass er bei einem Spaziergang durch die Lagerbestände sich oft selbst überrascht. Er trifft dann auf die Dinge, die zugleich er selbst sind und von denen er doch einige vergessen hat. Sieht er sie, ist er überrascht, dass er das auch hat und zugleich ist, da ja die Dinge auch ihn ausmachen. Er begegnet sich also in den vergessenen Dingen selbst.
Obwohl bei der Autoverwertung nie etwas Ungewöhnliches passiert (Ausnahme: der Tod von Alfred, dem Chef), macht die Serie Spaß, weil man kleine Miniaturen vorgeführt bekommt. In der endlosen Wiederholung (über hundert Folgen) von Kundengesprächen und abgeholten Autos finden sich verdichtete Wesenszüge. Das Wesentliche dämmert langsam phänomenologisch herauf.
Sebastian Knöpker