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Badezimmer der Zukunft

Zur neuen Badezimmerkultur gehört das durchsichtige Siphon, durch das man das Abwasser abfließen sieht und die Feinheiten im Prozess genießen kann. Außerdem verschwindet die Klobürste unaufhaltsam, von der aber keiner weiß, wie man sie ersetzen kann. Kurz: die Zukunft des Badezimmers besteht darin, Nebensachen zu Hauptsachen zu machen.

In vielen Hotels gibt es schon keine Klobürste mehr, weil sich die Wirklichkeit nach der Realität des Fotos mit Schönheitswirkung richtet. Wir haben uns so sehr an Fotos von Hotelbadezimmern ohne Bürste gewöhnt, dass wir in der Realität auch keine mehr sehen wollen.

Was macht man übrigens, wenn man eine Bürste braucht? Man kann die Rezeption anrufen und die Verunreinigung von einer Putzfrau beseitigen lassen. Man kann auch auf ein öffentliches Klo gehen und sorgenlos Bremsspuren hinterlassen. Oder man bandagiert das Klosett mit Klopapier, sodass die Keramik gar nicht schmutzig werden kann, das Papier aber heruntergespült wird.

Die Idee des bürstenlosen Badezimmers ist also kein Plan, sondern bloßer Wunsch. Dabei ist die Klobürste selbst ein solcher Wunsch, weil sie zwar die Keramik reinigt, aber ihrerseits voller Reste und Fetzchen bleibt. Der Schmutz wird also nur verschmiert und verteilt. So wenig wie das Fehlen der Klobürste überzeugt, sowenig überzeugt die Bürste selbst.

Andere Gegenstände, die aus dem Badezimmer verschwunden sind, hinterlassen dagegen keine Lücke. Die flauschige Umhüllung des Klodeckels hatte ja kaum eine Funktion und diente nur dazu, den Locus als Sitz zu benutzen. Auch die Flauschteppiche auf dem Fußboden dienten mehr der Anmutung von Komfort. Ähnlich wie die Bürste waren sie Schmutzfänger und bildeten Feuchtigkeit.

Ein anderer Trend des Badezimmers der Zukunft ist die Auflösung der Wand als raumabschließendes Prinzip. Sie wird durch Offenheit ersetzt, was zu erhöhter Sichtbarkeit und Hörbarkeit führt. Die Schalldurchlässigkeit wird durch einen weiteren Trend pariert, durch die Zwitscherbox. Sie erzeugt fröhliche Vogelstimmen, die andere Geräusche einlullen und verharmlosen. Ein Effekt des Vogelgezwitschers ist es aber auf Dauer, reale Vogelstimmen als im ersten und letzten störend zu empfinden.

Innerhalb des Badezimmers geht es auch um Reduktion, oft um das Weglassen der Duschkabinentür. Die Glastür hat vor einigen Jahren den Duschvorhang mit all seinen Nachteilen verdrängt und jetzt verdrängt die Unbeschränktheit die Glastür. Das funktioniert aber nicht, weil dann der Abdampf nicht da bleibt, wo er bleiben soll, um ein bisschen zu wärmen. Stattdessen zieht er ungehindert ins Badezimmer und führt zu übermäßiger Kondenswasserbildung.

Zusammengefasst ist der Grundtrend im modernen Badezimmer die Reduktion ohne Rücksicht auf Funktionalität. Mauern, Bürsten und Türen werden entfernt, können aber nicht durch Nichts ersetzt werden. Das Badezimmer wird also leerer, elementarer – und schafft ein Vakuum.

Was dabei materiell im Badezimmer fehlt, wird durch Gedankenfiguren ersetzt, in denen gerechtfertigt wird, dass die Bürste sowieso nur schmutzig ist, man nichts zu verbergen habe (Glastür) und prinzipiell keine Türen brauche (Kabinentür). Die nicht mehr vorhandene Klobürste mündet somit in ein Denken von Hilfs- und Stützgedanken.

Sebastian Knöpker