Ereignisse in der Welt sind aus Sicht des Menschen dazu da, zum subjektiven Erlebnis zu werden. Das Erlebnis bedient sich also des Ereignisses. Doch geht es auch anders herum und manchmal wird der Mensch vom Ereignis genutzt, um Erlebnis zu werden.
Wenn Modelleisenbahner sich treffen und nach Plan ihre Züge fahren, nimmt sich das Ereignis des Planbetriebes die vielen Mensch vor, um sich durch ihr Erleben zu verwirklichen.
Die Fahrdienstleiter und Lokführer, die den Betrieb im Maßstab 1:87 ja eigentlich nur simulieren, gehen voll im Ereignis des Fahrplans auf und fühlen sich so, als wären sie Teil des großen und ganzen Ereignisses. Zwar erlebt jeder für sich den Betrieb, doch fühlt es sich so an, als sei der Erlebende nur dazu da, das Ereignis zu ermöglichen.
Das ist attraktiv und macht den Reiz des Spiels mit der Eisenbahnwirklichkeit im Kleinen mit aus. Statt einer Entfremdung, so wie bei der Produktion am Fließband, wo man nur dazu da ist, eine objektive Wirklichkeit herzustellen, freut man sich an der Teilhabe am Betrieb.
Ein Rädchen im Betrieb zu sein, erfreut also dann, wenn man seine Subjektivität dem an und für sich gleichgültigen Ablauf der Dinge zur Verfügung stellt, um so subjektive Wirklichkeit zu werden.
Das Erleben zur Zeit viele Ukrainer, die in der Verteidigung der nationalen Sache nicht das „Objektive an sich“ subjektiv erfahren, sondern sich der Landesverteidigung so verschreiben, die eigene Subjektivität der Manifestation des Objektiven zur Verfügung zu stellen. Dieses Verhältnis vom subjektivem Ort der überindividuellen und objektiven Realität macht wesentlich die militärische Stärke der ukrainischen Armee aus.
Auch ein Happening in der Kunst, wo die Zuschauer nicht einfach etwas erleben, sondern Ort des Vollzuges der Ästhetik werden, hat diesen besonderen Charakter. Eine öffentliche Klavierzertrümmerung ist damit Ausdruck der ästhetischen Destruktion in actu. Das Noble der Zertrümmerung besteht also darin, dass die Zuschauer Träger des Ereignisses um des Ereignisses willen werden.
Baudelaire hat so die Revolution von 1848 in Paris ästhetisch erfahren. Das politische Ereignis der Revolution war ihm eine Objektivität, die er dank seiner Subjektivität wirklich machte. Der starke Selbstbezug hindert also nicht, dem Ereignis zu seinem ästhetischen Recht zu verhelfen.
Die Brutstätte der Subjektivität – das Bewusstsein – kann sich natürlich nicht tatsächlich dem Ereignis übereignen. Es tut nur so, damit das Ego der Subjektivität auf seine Kosten kommt. Doch liegt darin gerade der Gewinn, wie die nüchterne Trunkenheit der Modelleisenbahner, der Ästheten und Soldaten beweist.
Sebastian Knöpker