Es gibt Orte, da herrscht ein Smog aus Argwohn und Unwille. Flughäfen sind atmosphärisch oft so aufgeladen. Dann gibt es auch Plätze, die alle unsympathischen und asoziale Elemente ausfiltern und nur das Helle und Freundliche durchlassen. Eine Galopprennbahn ist so ein Ort der atmosphärischen Gesundheit.
Die Waldrennbahn Seckenheim in Mannheim ist auch was für Leute, die sich durchaus nicht für Pferde und Rennen interessieren. Denn sie filtert die abgeknickten Misstöne aus und lässt nur die Menschen von der höflichen Sorte auf die Anlage. Hier tritt keiner aus Versehen dem nächsten in die Hacken. Es gibt trotz des Auflaufes kein Gedrängel und die wenigen Leute, die schlechte Manieren haben, müssen sich nach oben hin anpassen und auch einmal höflich sein.
Es ist auch kein Ort für die berühmten Missverständnisse. Niemand stellt sich am falschen Ende der Warteschlange an, keiner muss noch schnell aus Versehen den Ellenbogen ausfahren und alle nähren sich von der freundlichen Strömung des gewollten Miteinanders. Es herrscht eine angenehm ergreifsüchtige Stimmung.
Anders sieht es einige Kilometer weiter in Mannheim-Neckarau aus, im Sozialwarenkaufhaus. Hier wird Revierverhalten groß geschrieben und jeder versperrt jedem ein wenig den Weg. Am besten, man steht sperrig mitten im Gang. Wer einen Kinderwagen hat, der stellt ihn strategisch ab und behindert so den Rest der Kundschaft. Das Kaufhaus für Arme und Geizige lädt dabei den Durchschnittskunden negativ auf. Die Leute entdecken in sich motorische Routinen der Tempoverschleppung. Da hilft es auch nicht viel, eine gut erhaltene italienische Nudelmaschine für einen symbolischen Preis zu kaufen. Das Einkaufserlebnis bleibt getrübt. Das Ganze wirkt ansteckend und man fängt selbst auch an, den Raum eng zu machen.
Das heißt: es lohnt sich, den nächsten Schwedenurlaub nördlich der Linie Stockholm – Oslo zu verbringen, weil die Nordschweden atmosphärisch das Sympathische im Besucher wecken. Ob Dalarna und Lappland schön sind, ist dabei erst einmal zweitrangig. Das Ass im Ärmel ist die Gefühlsansteckung, das bessere Ich im Selbst durch das soziale Flair zu beleben.
Also macht es auch Sinn, in der Freizeit bei der Museumseisenbahn als Weichensteller zu arbeiten. Dafür gibt es nichts, aber die Amateureisenbahner machen durch ihre positive Grundstimmung den einzelnen Menschen durchaus besser und heben ihn in die Höhe. Der Mehrwert ist also atmosphärischer Natur.
Wenn das so ist: könnte man genauso gut zu einer freikirchlichen evangelikalen Gruppe gehen, oder? Die sind doch besonders gut drauf. Das schon, aber sie zwingen sich dazu und simulieren das, was die Eisenbahner ohne Absicht hervorbringen. Die Gottessucher sind in dieser Hinsicht gezwungen-positive Mitmenschen. Ihr Soziotop ist künstlich angelegt und wächst auch nicht an. Programm und Backkuchenmischung der freundlichen Zuwendung zum Nächsten verhindern echte Nähe.
Um was geht es also? Meide Orte, wo asoziale Elemente atmosphärisch ausgebreitet sind und dich auf ihre Niedrigkeit herabziehen. Wähle Umgebungen, wo dich eine Höhe erwartet und dich mit sich ansteckt. Gehe dabei nicht davon aus, ob dich die Eisenbahn oder das Galopprennen wirklich interessiert.
Sebastian Knöpker