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Nonchalance

Nonchalance bedeutet, das Wichtige unwichtig zu nehmen, es abwechselnd zu relativieren, zu vergessen und wieder in die Bedeutsamkeit zurückzuholen. Nonchalance bezeichnet die wechselnde Einstellung zum Ernst des Lebens und seinen Problemtiteln, ohne diesen Ernst zu verneinen.

Ungezwungenheit im Kapitalismus besteht darin, im Spätherbst billig Cabriolets aufzukaufen, wenn die Nachfrage gering ist. Dann lässt man sie den Winter über in einer Halle stehen, denkt nicht an sie, um die Autos im Frühjahr mit Gewinn zu verkaufen.

Das Nonchalante besteht darin, Geld für etwas auszugeben, dass man dann besitzt, aber zunächst einmal in die Besitzlosigkeit entlässt. Man vergisst unbekümmert den eigenen Besitz und denkt nicht an das Geld, das man ausgegeben hat. Im Frühjahr erinnert man sich an die Cabrios und wird wieder zum Besitzer. Von Rechts wegen haben die Autos immer einen Besitzer gehabt, nur hat sie dieser zwischendurch auf lässige Weise vergessen.

Werden sie dann mit Profit weiterverkauft, dann wird der Besitz im Übergang von mir zu dir noch einmal intensiv gespürt, aber ohne Verlustgefühl, sondern so wie in einem Durchlauferhitzer. Haben beruhigt ja generell und vom Haben mit Gewinn wieder etwas abzugeben, tut normalerweise etwas weh, doch der nonchalante Autoverkäufer war nie vollständig in seinen Besitz eingetaucht und blieb zwischen Haben und Nichthaben stehen.

Nonchalance ist also ein wechselnder Zustand zwischen Haben und Nichthaben. Normalerweise neigt der Mensch dazu, etwas ein für alle mal einzukassieren, es also stabil zu besitzen und zu beschützen. Der Besitz ist nicht beiläufig, sondern definitiv und somit weder lässig noch gelöst.

Die nahen Verwandten der Nonchalance heißen sprezzatura und désinvolture (desinvoltura). Auch sie beruhen auf einer Ungezwungenheit zu dem, was normalerweise zwingend bindet. Sie bezeichnen das Oszillieren zwischen Bindung und Nichtbindung, setzen dabei aber andere Akzente.

Nonchalance besteht im Kern darin, das Wichtige in seiner Bedeutsamkeit zu variieren. Das Relevante wird dabei nie beliebig, kommt aber auch nie zu seiner vollen Wirksamkeit. Erst in diesem Gestreiftwerden wird es wichtig: Das Zentrum des Nonchalanten ist das Wechselspiel von wichtig zu unwichtig, nicht die inhaltliche Bestimmung des Wichtigen.

Sebastian Knöpker