Lust und Unlust sind wie Schwarz und Weiß Kontraste, aber bilden kein Gegensatzpaar. Als sinnliche Qualitäten besitzen sie auch keinen gemeinsamen Maßstab. Ein Quantum an Freude kann so nicht mit einem Quantum an Leiden verglichen oder aufgewogen werden. Es gibt also keine einfache Arithmetik der Verrechnung von Lust und Unlust.
Georg Simmel nahm das zum Anlass, eine kleine Phänomenologie des Pessimismus und Hedonismus zu entwickeln. Existiert nämlich kein objektiver Maßstab für die Bewertung des Lustlebens, gibt sich jeder Mensch selbst einen an die Hand. Das führt dazu, dass der überzeugte Hedonist allein durch die Möglichkeiten des Genießens eine optimistische Lebenseinstellung gewinnen kann, während der Pessimist alleine durch den weiten Horizont der möglichen Unlüste zu einem Schwarzseher wird.
Simmel war selbst kein Eudämonist, darin aber ein entschiedener Hedonist, sinnliche Phänomene zu analysieren. Für ihn war eine Lust vor allem dann lustvoll, wenn er sie durchdenken konnte. In solchen Analysen war er in sein Element und überstieg so den bloßen Genuss. Da es unzählige Konstellationen von Lust und Unlust gibt, hatte er sich damit ein hedonistisches Feld ohne Nachschubschwierigkeiten erschlossen.