Wer einen Psychotherapeuten aufsucht, um durch seine Hilfe dem glücklichen Leben näher zu kommen, wird enttäuscht werden. Die Psychotherapie ist für ihn nicht zuständig, weil sie das gute und erfüllte Leben an andere Stelle verweist. Sie beschäftigt sich mit psychischen Störungen, die sie heilen oder so in den Alltag integrieren will, so dass der Patient damit leben kann. Ihr geht es nicht darum, alle Bedingungen des guten Lebens ineinander fließen zu lassen, sondern darum, eine Normalität im guten Sinne zu fördern. Glückseinsprengsel und Therapiegewinne, souveräner und gelassener mit dem Leben umgehen zu können oder fremde Stimmen im Kopf als bereicherndes Element zu empfinden, kommen so in der Psychotherapie vor, sind aber nicht das eigentliche Ziel. Abhilfe schafft hier eine phänomenologische Dialektik, die jeweils von einer Beschreibung einer psychischen Pathologie ausgeht und diese dann in ihr Gegenteil wendet. […]
Volltext: Pierre Janet und die Psychotherapie des guten Lebens [PDF]
Sebastian Knöpker, erstmals erschienen in: U. Wolfradt et al. (Hg.): Schlüsselthemen der Psychotherapie, Pabst Science, Lengerich, 2017, S. 69-78