Läuft der Tag ohne Probleme, fehlt einem direkt etwas und man denkt sich dann die dazu passenden Sorgen aus. So wird die seelische Gravitation wieder heraufgesetzt: Man fühlt sich beschwert und leidet darunter. Besser wäre es natürlich, bei zu geringer seelischer Schwerkraft sich so zu beschweren, aus der Schwere eine Lust zu gewinnen.
Viele Menschen neigen dazu, sich ein paar zusätzliche Sorgen auszudenken, um sich zu beschweren. Die abstrakten Gedanken werden dabei leiblich als unangenehme Schwere konkret und das Vakuum der Seele wird so ausgefüllt.
Die Formel lautet also, aus abstrakten Gedanken einen Leib als konkret erfahrene Schwere werden zu lassen. Umgekehrt kann man aber auch aus echter Materie, die auf dem Körper liegt, eine leibliche Schwere machen, die angenehm wirkt.
So gibt es Bettdecken, die extra schwer sind, damit man besser das Stadium der Bettschwere erreicht. Die schwere Bettdecke ist dann die Materie, die so auf dem Körper als Ding unter Dingen lastet, dass im günstigen Fall daraus eine leiblich gespürte Schwere als angenehmer Eindruck wird.
Es gibt die Momente, wo es gerade richtig ist, Gewichte auf den Körper zu legen, damit eine erfreuliche Gravität daraus wird. Im Hatha-Yoga wird das geschickt genutzt, indem kleine Säcke, mit Reis gefüllt, auf den liegenden Menschen gelegt werden, also auf die Handflächen, Augen und auf die Brust.
Phänomenologisch zeigt sich in dieser Wirkung eine Tautologie, in der leiblich gegebenen Schwere ein Behagen an sich zu empfinden, das aus der Tatsache der Beschwerung selbst heraus erfolgt. Ich freue mich dann, weil ich mich beschwere und erschwert existiere. Der lastende Eindruck der Materie als Druck ist dabei nicht entscheidend, sondern die affektive Größe, sich in der Schwere als Tautologie zu erfahren. Darin findet sich der Unterschied zwischen Körper als Ding in der Welt und Leib als affektiv Gespürtes. Nur der Leib besitzt Selbstpräsenz, die immer in Affektivität besteht, während der Körper weder das eine noch das andere besitzt.
Der dicke Mensch, der sich selbst immer mit herumschleppen muss, kann sich aufgrund seiner Selbstbelastung als Unfrieden an sich selbst erfahren. Er muss sich dann selbst ertragen und eine Tautologie der Unlust liegt vor: Der Übergewichtige mag sich nicht, weil er sich als Schwere empfindet.
Nimmt man all diese Fälle von Lust/Unlust, Leib/Körper, Abstraktion/Konkretion zusammen, ergibt sich eine kleine Phänomenologie, die erst unmittelbar erfahren werden kann, um dann begrifflich gefasst zu werden.
Sebastian Knöpker