Wer zu Fuß zur Notaufnahme geht und sich ins Krankenhaus einweisen lassen will, hat schlechte Karten. Seine Anreise überzeugt nicht, denn wer noch gehen kann, der ist ja wohl nicht ernsthaft krank, so das landläufige Urteil. Die Art der Anfahrt entscheidet also mit über die Beurteilung, wer wirklich krank ist oder philosophisch ausgedrückt, wie wirklich die Wirklichkeit ist.
Die überzeugendste Anreise zum Krankenhaus ist immer noch die mit dem Rettungshubschrauber. Bei dem Aufwand wird auch der Beförderungsfall wirklich krank sein, oder? Dabei gibt es tatsächlich keinen Zusammenhang der Krankheit mit dem Verkehrsmittel der Anfahrt.
Das Klinikpersonal lässt sich hier leicht von den Detail täuschen: kommt der Patient mit dem Krankenwagen, und wenn ja, hat der Blaulicht und Sirene angestellt? Kann der Patient selbst zur Aufnahmestelle gehen oder muss er getragen werden? Ist er bewusstlos oder noch bei Sinnen?
Fachfremde Kriterien, also Umstände und Einzelheiten der Herbeibringung des Kranken, entscheiden wesentlich mit über seine spätere Diagnose. Kein Wunder, dass Einweisungswillige sich mit Rollstuhl und Sauerstoffflasche ausgestattet präsentieren, damit so die Dringlichkeit ihres Zustandes besser herauskommt.
Philosophisch betrachtet handelt es sich dabei um eine Variante des Grundsatzes „Form bestimmt Inhalt“ als Umkehrung des Satzes „Form folgt Funktion“. Hier handelt es sich um die verschärfte Version, dass die Vorform (Anreise) den Inhalt bestimmt. In Reinkultur findet sich das bei wissenschaftlichen Konferenzen, wo es nicht entscheidend ist, was im Vortrag gesagt wird. Wichtiger ist die Art der Anfahrt und wer die Anfahrtskosten trägt.
Das Beste ist es, mit Mitteln der DFG, des CNRS oder des FNRS in der 2. Klasse per Bahn anzureisen, um dann umständlich Reisekostenerstattungen zu beantragen. Wer so fährt, der ist allgemein sehr angesehen; seine Bedeutung ist unbezweifelbar. Dagegen ist es geradezu widersinnig, mit dem privaten Hubschrauber zu kommen, da man dann als Amateur und bloßer Liebhaber der Wissenschaften gilt.
Was bedeutet das nun philosophisch? Die Philosophie kann hier den Beitrag leisten, begriffliche Verknüpfungen wie eine mögliche Krankheit zu behandeln. Es geht um den Ausweis unsachgemäßer Begriffsverbindungen, im speziellen Fall um die Ableitung des Inhaltes aus der Form, aus der Anreise und Abreise. Klingt harmlos? Gar nicht, denkt man an die Anreise von Migranten, die von Rechts wie Links hochgradig unsachgemäß politisiert werden. Für die einen ist die Anreise prinzipiell ein Grund, Migranten zurückzuweisen, für die anderen ganz im Gegenteil ein Beweis für die Legitimität der Migration.
Sebastian Knöpker