Wer mit einem Fuß im Abflussrohr stecken bleibt, zieht dabei ein komisches Gesicht. Will nun ein Maler die Lebendigkeit dieser kleinen Verzweiflung malen, muss er das richtige Verhältnis von Stirnrunzeln zu Nasenflügeln und Wangen in ihrer jeweiligen Bewegung einfangen. Kunst wird aus dem Missgeschick des Abflussrohrs also erst dann, wenn der Maler die Bewegungen im Gesicht zeitlich auf leicht verzerrte Art darstellt.
Ein guter Maler zeichnet Erstaunen nicht als Endzustand der Gesichtsmuskeln, bei dem die Augen aufgerissen sind und der Mund schön gekringelt, während die Stirn maximal kraus aussieht. Der Effekt wird ein schockgefrorener Moment sein, so wie er in der Wirklichkeit gar nicht vorkommt.
Um die Wirklichkeit des erstaunten Gesichtes auf gesteigerte Weise zu malen braucht es eine leichte Zeitverschiebung der einzelnen Bewegungen. Währen die Stirn erst leicht angerunzelt ist, sind die Augen schon geweitet und die Mundwinkel noch nicht ganz heruntergezogen. Der Mund ist auch noch nicht vollständig offen, sondern ist erst auf dem Weg dahin.
Die Andeutung der Bewegungen in verschiedenen Stadien ihrer Vollendung macht es wesentlich aus, dass der Gesichtsausdruck lebendig erscheint. Das Stirnrunzeln ist damit nicht für sich entscheidend, sondern sein Stadium der Bewegung im Verhältnis zu den Stadien der Veränderungen der Nasenflügel, Lippen und Augenmuskeln.
Ein weiterer Trick kommt hinzu: das Stirnrunzeln kann auch für sich stehen und als abstraktes Kunstwerk im Kunstwerk wirken. Gelungene Comicfiguren neigen so zum Stirnrunzeln als Karstlandschaft oder als dreidimensionaler Steinbruch. Die Verwitterungslinien auf Stirnhöhe entsprechen dabei gerade nicht der Wirklichkeit, sondern bilden eine eigene Realität. Die Landschaft aus Strichen, Punkten und gezackten Eierschalenbrüchen hat dabei keine figürliche Bedeutung, nimmt man sie für sich. Sie besitzt dafür eine Bedeutsamkeit und zwar im Zusammenspiel der graphischen Elemente, die Anziehung, Abstoßung, Präsenz und Verdichtung beim Betrachter hervorrufen.
So halbwegs ergibt sich in diesem abstrakten Stil ein Stirnrunzeln, das im Zusammenspiel mit den Augen, Ohren, der Nase und dem Mund seine Rolle für das Gesicht spielt. Aber zugleich steht es auch für sich, entzieht sich der gegenständlichen Abbildung und bildet eine Welt für sich.
Das Stirnrunzeln besitzt also eine zweifache Bedeutung in der Malerei: es gibt ein Stadium der Bewegung an die Hand, das zusammen mit anderen Bewegungsstadien weiterer Gesichtspartien eine lebendige Einheit bildet.
Zugleich kann das runzeln auch für sich stehen und als Gewirr von Linien und Punkten eine Anmutung abstrakter Kunst mit ihren kleinen Affektionen bilden. Wird das Stirnrunzeln auf diese zweifache Weise angeleitet, ergibt sich der gesuchte Mehrwert.
Sebastian Knöpker