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Endgültigkeitstönung

Woran erkennt man Verschwörungstheoretiker? An der Endgültigkeitstönung ihrer Art zu reden. Was sie sagen, das ist dem Ausdruck nach unumstößlich wahr und führt damit beim Zuhörer zu einer Disqualifizierung des Gesagten aufgrund der Tönung allein.

Türsteher können nur dann erfolgreich arbeiten, beherrschen sie die Gesichtskontrolle mit Endgültigkeitstönung. Für negative Urteile müssen sie vollkommen einstehen und damit der Ablehnung Unabänderlichkeit mitgeben. Der gute Türsteher arbeitet also mit dem Ausdruck seiner Stimme und seines Körpers – er muss „fertig auferlegen“ können.

Die Endgültigkeitstönung ist also eine Frage der Professionalität: der Chefarzt muss sein Rauchverbot als apodiktischen Sprechakt an den Patienten übermitteln. Der Inhalt wirkt nur dann, wenn die Art zu sprechen wirkt. Der Arzt hat also insofern etwas zu sagen, wie er die Endgültigkeit als Färbung seines Sprechens manifestiert.

Viele Chefs scheitern daran, wenn sie strittige Dinge ausdiskutieren wollen, wo eigentlich nur das Definitive einer Entscheidung als Atmosphäre und Stimmung vermittelt werden muss. Jawohl, es gibt den Moment, wo man seinen Mitarbeitern kein Angebot mehr machen sollte, sondern mit finsterer und äußerster Entschlossenheit den Gang der Dinge bestimmt.

Manchmal fehlt es an der Endgültigkeitsernsthaftigkeit, manches Mal gibt es zu viel von ihr. Das zeigt sich bei verzogenen Kindern, die sich auf endgültige Art und Weise wichtig nehmen. Da die Grundfärbung der eigenen unübersteigbaren Bedeutung überall ist, weil die Tönung alles erreicht, kann nichts anderes als eine Vorzugsbehandlung eingefordert werden. Die affektive Grundausstattung solcher Menschen ist also als Apriori defekt. Dieses setzt die Eigenbedeutung als unanfechtbar, so dass eine pathologische Fraglosigkeit des eigenen Vorrangs entsteht.

Argumente dagegen werden die Endgültigkeitsdurchdringung nicht aufheben. Solch einem Individuum muss lange Zeit viel an unüberwindbaren Widerstand entgegengesetzt werden, damit die Grundüberzeugung „self-important“ zu sein, gebrochen wird. Sie brauchen eine Pädagogik der harten Liebe als Weisheit des Widerstandes.

Wieder anders ist der Fall gelagert, hat eine Mensch das Gefühl, dass sein Leben endgültig zum Erliegen gekommen ist. Die Gestimmtheit der Unmöglichkeit, weiter zu leben steht der Tatsächlichkeit des kontinuierlichen Lebens zwar flagrant entgegen, doch der offenkundige Widerspruch wird nicht bemerkt. Das Paradox besteht darin, eine letzte Sicherheit zu spüren, dass es nicht mehr weiter geht, wobei allerdings diese Unmöglichkeit sich stets an sich selbst erneuert. Sie geht weiter, indem sie die endgültige Stasis verheißt.

Was bedeutet das in der phänomenologischen Summe? Die Endgültigkeitstönung kommt oft nicht als Beimengung in die Lebenswelt eines Menschen, sondern bestimmt diese Welt als Apriori. Sie setzt die Grenzen und Möglichkeiten der Welt ohne sich dabei als vom Subjekt passiv Gegebenes zu erkennen zu geben. Darin ist sie ein elementares Beispiel für Transzendentalität, verstanden als Bedingung für die Erscheinung und Konstitution von Phänomenen.

Sebastian Knöpker