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Phänomenologie der Kribbe

Flusskribben sind quer zur Fließrichtung gebaute Steindämme, die Mitten im Fluss enden. Sie regulieren den Fluss, bilden aber auch ein phänomenologisches Eigenleben, das dem chinesischen Garten ähnelt.

Kribben sorgen für eine gute Zugwirkung des Wassers, weil sie links und rechts vom Ufer die Breite des Flusses verringern und die Fließgeschwindigkeit erhöhen. Die Steinbuhnen stauen das Wasser geringfügig an, der Pegel steigt und sorgt für eine Vertiefung der Flussrinne.

Wie man in einem Steingarten den Eindruck von Wasserflächen hervorbringen kann, so bringen die Kribben auf die Wasserfläche einen Eindruck von Berg und Gebirge ein. Zunächst einmal fängt die Kribbe den Morgendunst ein: der Nebel steht oft zwischen zwei Kribben einer Uferseite, während die Flussmitte nur kleine Nebelfetzen aufweist. Umgekehrt kann auch der Dunst sich um die Steine der Buhne sammeln, ist das Wasser wärmer als die Steine.

Kleine Felsen zu setzen, damit sich darum Bodenwolken sammeln, ist der Anspruch vieler Landschaftsbauer. Doch scheitern sie daran, weil sie das Kondensat herbeizwingen wollen. Beim Bau der Buhnen geht es anders: die zerstörten Teile aus dem Steinbruch werden zur weiteren Verbesserung wieder aufgebaut und ergeben einfache und überzeugende Kleingebirge.

Zwischen den Kribben sammelt sich mit der Zeit Sediment und Unrat, so dass manchmal kleine Biotope entstehen, Kiesbänke, vom Fluss abgeschnittene Teiche und bloße Wasserlöcher. Sie ergeben den Eindruck eines Kabinetts, einer in sich geschlossenen Miniaturlandschaft, die eine Landschaft außerhalb von sich zur Verfügung hat, die für Weite sorgt.

Im Winter bildet sich in diesen Miniaturen eine Monochromie, in der die Grisaille von Schlick, Kies, von verschlammten Waschmaschinen und angeschwemmten Holz zusammen mit den grau-braunen Steinen eine Farbigkeit für sich bildet. In der Abwesenheit von Farbe wird durch die Differenzierung innerhalb des Spektrums Grau-Schwarz-Braun eine Licht- und Farbwirkung. Lichthaftigkeit meint dabei, dass die dunklen und matten Töne nicht nur Licht schlucken, sondern auch dem Beobachter den Eindruck von Lichtfülle vermitteln. Ein helles Licht aus einer 1oo Wattbirne ist zwar immer heller und stechender als das Winterlicht in der Kribbenlandschaft, aber seine Lichtkraft als subjektiver Eindruck des Lichtes ist geringer.

Kribben geben dem Fluss Relief. Ein Ufer hat er ja auch so, aber die Kribben erzeugen Nischen, die dem Ganzen nicht nur angehören, sondern dessen Charakter auch mit bilden. Wenn also ein Fluss aus mehreren Flussminaturen besteht, merkt man dadurch umso mehr, am Fluss zu sein. Die Kribbenlandschaft ist dabei phänomenologisch mit der klassischen Gartenkunst aus China und Japan verwandt. Als funktionaler Landschaftsbau will sie gar nicht ästhetisch wirken, setzt aber die Prinzipien zur Bildung von Raumeindrücken kongenial um.

Sebastian Knöpker