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Im Brezelmuseum

Nach dem Griff in eine besonders rentable Schublade war plötzlich viel Geld vorhanden. Aus Ratlosigkeit wurde deshalb ein Brezelmuseum eröffnet. Was geschieht, wenn die Mittel für etwas da sind, aber keine Ideen, zeigt das Museum für Brezeln in Erdmannhausen, eine nackte und verwunderte Form ohne Inhalte.

Wie bevölkert man ein Brezelmuseum? Mit Brezelgadgets. Doch was ist ein Gadget? Eine technische Spielerei, im Fall der Brezel also ein ins Gigantische vergrößertes Gebäck oder lila angestrichene Brezeln, auf denen man sitzen kann. Das Brezelmuseum im schwäbischen Erdmannhausen folgt diesem Konzept, den undankbaren Gegenstand der Brezel in lauter kunstgewerblichen Varianten durchzudeklinieren.

Was man dort sieht, sind also Brezeln aus Stein, Holz, Gips, mit und ohne Pflaster. Kurz gesagt handelt es sich um Kitsch und Nippes mit Brezelmotiv. Diese Verengung des Brezelwesens geschah aus Verzweiflung, da keiner wusste, wie man das Laugengebäck sonst in Szene setzen soll.

Das einzige Kriterium für die Exponate ist es, dass sie in brezelähnlicher Form auftreten. Ob etwas gut oder schön ist, spielt keine Rolle – ganz so wie bei den meisten Museen. Die zentrale Qualität, der Geschmack der Brezel, spielt ebenfalls keine Rolle. Der Museumssponsor ist nämlich ein industrieller Brezelhersteller, der seinerseits nicht auf Geschmack setzt, sondern auf Masse und Haltbarkeit. Der Sponsor stellt also selbst brezelähnliche Produkte her, die gar keine Brezeln sind.

Im Museum liegen Brezeln in Schlangenform, Brezeln mit Rüsseln, Armen und Mündern, die von Brezelkünstlern erschaffen und anschließend vom Museumsdirektor persönlich kuratiert worden sind. Man sieht auch Fotos von den Künstlern, wie sie sich im Museum mitten unter ihren Exponaten bewegen und zusätzliche Brezelbeobachtungen machen.

Das Gebäck findet dabei nicht zur Kunst, sondern bleibt im Kunstgewerbe stecken. Die Backware als Motiv verliert sich zugleich in den Pappmaché-Brezelformen, sodass die Inhaltslosigkeit perfekt gemacht wird.

Die Brezel müsste durch eine radikale Entleerung ihres Inhaltes gerettet werden. Also zum Beispiel durch ein Gemälde einer Brezel, das anstelle der gemalten Brezel altert, wodurch die Originalbrezel alterslos und stets knusprig-frisch bleibt. Das Thema wäre dann das Alter und seine Aufhebung, aufgezeigt am Beispiel der Brezel.

So ein Gemälde ist natürlich nicht möglich, doch etwas Ähnliches ist greifbar. Hat Rembrandt nicht immer Honoratioren – alte Männer in dunklen Gemächern – gemalt, um dadurch ein ganz anderes Thema zu erhellen, nämlich Licht aus Dunkelheit hervorzubringen? Seine Bilder sind deswegen immer so dunkel gehalten, um zu zeigen, wie aus dunklen Farbwerten (grau – schwarz – braun) Lichtwerte entstehen können.

Für den Betrachter ist der Reiz seiner Bilder, aus dem Dunkel das Helle zu gewinnen. Die gemalten Personen, seine Auftraggeber, spielten dagegen keine Rolle. Genauso darf es auch im Brezelmuseum sein, dass die Brezeln nur der Vorwand für Inhalte sind, die außerhalb des Brezelmotivs wirken.

Sebastian Knöpker