In Wohnungen gibt es oft von Handwerkern geöffnete und später vergessene Löcher, die dann notdürftig zugedeckt werden. Löcher dieser Art sind dabei unentwegt dabei, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Sie werden phänomenologisch aktiv und schaltet sich in das Leben der Bewohner ein.
Ein vorzeitig abgereister Handwerker hinterließ ein großes Loch in meinem Badezimmer und kam nie wieder. Seitdem habe ich eine Schallbrücke im Badezimmer, und zwar eine doppelte. Die eine lässt die Geräusche zum nahen S-Bahnhof im Tal durch, dessen Klangumkreis und abgeknickte Misstöne.
Die andere kommt beim Gänseteich des Nachbarn heraus. Der Nachbar ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr, und der Teich entstand nach einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Feuerwehrübung. So wurde aus einer bloß sumpfigen Stelle ein inoffizieller Feuerlöschteich.
Moderne Abwasserleitungen im Haus haben alle paar Meter einen abnehmbaren Deckel, wo man bei Bedarf hereinschauen kann. Problemrohre lassen sich so besser beherrschen und durch beschnüffeln auch ausforschen. In meiner Wohnung habe ich solche Rohre und konnte bei Bedarf jederzeit, wenn ich wollte. Die Deckel bleiben aber drauf.
Hingegen hat die Buchse für das Satellitenkabel überhaupt keinen Deckel und verströmt einen ungelüfteten Geruch vom Nachbarn. Es handelt sich dabei um ein authentischen Lebensgeruch, der alles sagt und im seinem Muff die Zusammenfassung der Existenz seines Bewohners ist. Eine bessere Synthese ist also nicht möglich, um zu zeigen, um wem es sich dabei handelt. Um nun nicht immer die Anwesenheit eines Anderen in der eigenen Wohnung zu haben, habe ich die Buchse geöffnet und den Kabelschacht mit Kinderknete zugeknetet …. ein Loch weniger in der Wohnung.
Wer lieber in einem größerem Maßstab denkt, in internationalen Größenordnungen, der wird an Portugal denken, dem Land der übelriechenden Abflussöffnungen mit ungelösten Zweiwegeproblemen im Siphon oder an Kambodscha, wo innerhalb der Behausungen alles in Ordnung ist, aber dank offener Abwässerkanäle die Probleme vor dem Haus schon wieder offen zu Tage treten.
Phänomenologisch hat das Thema des perforierten Wohnens natürlich den Zweck, sich aus dem Nichts heraus zu erzählen. Wer nämlich so gar nicht weiß, was er ist und wo er herkommt, der kann sich seine eigenen Biographie der Öffnungen im Haus erzählen. So bildet sich eine Identität aus der Erzählung heraus, von der aus man ohne großes Zähneknirschen auf tiefere Zusammenhänge stoßen kann.
Sebastian Knöpker