Eltern sehen es meist nicht gerne, spielt das Kind mit Figuren von Playmobil. Es müssen schon Legosteine oder besser noch Bausätze von Fischertechnik sein. Die vorgefertigte Spielphantasie beim Playmobil reizt das Kind kaum, während ein Baukasten ein hohes Maß an mentalen Kommerz erfordert.
Mentaler Kommerz bezeichnet also das, was das Kind von sich aus in den Baukasten einbringt. Das Spielzeug ist nicht einfach nur da, sondern muss in Zeit und Raum erst zum Erlebnis werden. Ein Kind, das mit dem Bausatz etwas anfangen kann, wird also selbst zum Produzent, und der Anteil der Eigenproduktion im Konsum nennt sich entsprechend mentaler Kommerz.
So ist es bei Erwachsenen auch, denn der teure Châteauneuf-du-Pape ist nicht als Erlebnis in der Flasche. Dort befindet sich nur eine Flüssigkeit und aus ihr muss erst noch der Genuss gemacht werden. Wer so z.B. eine Lust daran hat, dass sich die einzelnen Aromen in der Zeit entfalten und nicht alles auf einen Schlag, der stellt die Zeit als Abfolge in sich erst her. Die Zeitigung der Zeit ist dabei eine Leistung, die als Potenzial im Châteauneuf-du-Pape vorhanden ist, aber erst durch den Menschen verwirklicht wird.
Wie sich die leichten Antönungen von Brombeere und die flüchtigen Skizzen von Lakritz und Cassisliqueur im Übergang zum langsam stärker werden Holzeinfluss harmonisch abwechseln, ist Sache des inneren Zeitbewusstseins. Der Wert des Weins muss also auf den Wert des Weintrinkers treffen, der das Können des Weins erst Wirklichkeit werden lässt. Ungeübte Weintrinker kommen dagegen ungefähr zu den ersten Schwierigkeiten; da biegen sie ab und trinken den Wein so wie alkoholisierten Traubensaft. Ihr mentaler Kommerz ist nicht sehr ausgeprägt und reicht gerade dazu aus, den Wein ohne Ornamente der Zeit hinunterzuschlucken.
Kurz gesagt: im Wein selbst findet sich nur eine Gegenwart. Im Weingenuss hingegen eine ausgedehnte Zeitspanne, die aus Vorwegnahme, unmittelbarem Erleben und soeben vergangenen Eindrücken hervorgebracht wird. Der Wein wird zeitlich aufgerüstet, was durch den Konsumenten geschieht, der darin selbst zum Produzenten wird.
Mentaler Kommerz bezeichnet in der Philosophiegeschichte als commercium mentis et corporis den Zusammenhang zwischen Leib und Seele. Anders in der Phänomenologie: dort ist der Kommerz eine andere Bezeichnung für die Summe der Apperzeptionsleistungen, also u.a. für die Herstellung eines Raum- und Zeitbewusstseins.
Dieser Kommerz ist für das Paradies von entscheidender Bedeutung. Im Paradies kommt es nicht nur auf das Angebot an schönen Erlebnissen an, etwa auf die berühmten tausend Jungfrauen, sondern auch darauf, all diese Angebote aus sich heraus auch verwirklichen zu können. So besteht das Paradies aus einem unerschöpflichen Angebot der Dinge und Konstellationen und beruht zugleich auf einer unerhörten phänomenologischen Kaufkraft. Wenn es das Paradies geben würde, dann wäre der mentale Kommerz auf jeden Fall wichtiger als die Jungfrauen.
Sebastian Knöpker