Genug gearbeitet hat man erst dann, wenn es einem so richtig schön sauer dabei geworden ist. Das Anstrengungsgefühl gilt als offizieller Nachweis für die eigene Leistung. Doch der schutzgeduckte Mensch der harten Arbeit ist aus der Mode gekommen und andere Modelle der Anstrengung treten an seine Stelle.
Arbeit muss unangenehm und anstrengend sein, damit man sich selbst wichtig wird. Das ist der große Klassiker, der immer noch viele Menschen bewegt. Der Gewinn des unbequemen und anstrengenden Lebens ist dabei der verbesserte Stand ins sich: man gewinnt Halt und Statur durch die Mühsal; man fühlt sich darin wohl gegründet.
Der Gewinn an Gründungsgewinn schlägt also den Wunsch nach Lust mühelos. Lieber ein wenig Halt durch harsche Arbeitsbedingungen als Lust an der Arbeit, die dann doch nichts zur eigenen Standhaftigkeit beiträgt. Gerade weil das Schuften keinen Spaß macht, ergibt sich durch Erleiden eine verbesserte Standfläche.
Bei gleicher Einsatztiefe versucht der Animateur im Urlaubsclub seine übermenschliche Anstrengung zu verbergen. Er lächelt so wie die Eiskunstläuferin, weil Leichtigkeit verlangt wird. Dabei nagt nagt es innerlich am Animateur, wenn er nicht so unbelastet durchs Aqua-Zumba tanzt, wie er es gerne hätte. Denn es gelten nur Leichtigkeit und Lust an der Arbeit, Anstrengung hat nichts dabei zu suchen.
Noch anders hält es der Marathonläufer: früher wurde auf Teufel komm raus trainiert und kräftig gelitten. Je mehr Anstrengung, desto fitter wurde man, war der Glaubenssatz. Doch will der Zeitgeist jetzt etwas anderes, nämlich eine neue und frische Interpretation von Anstrengungsgefühlen. Es gibt nicht mehr darum, Anstrengung zu empfinden, sondern sie zu bezweifeln. Denn das bezwingende Gefühl, an seiner Grenze angekommen zu sein, unterschätzt das eigene Können. Tatsächlich geht physisch noch was, und das lässt sich durch erfolgreichen Zweifel am eigenen Anstrengungsgefühl auch rauskitzeln. Wer sich selbst überhaupt nicht glaubt, wird gewinnen.
Wieder eine andere Logik verfolgt die Suche nach der Anstrengung, um eben darin Anstrengungslosigkeit zu empfinden. Wer sich anstrengt, fühlt Leichtigkeit und wer auf dem Sofa sitzen bleibt, fühlt die Anstrengung am bloßen Dasein, gilt demnach.
Sex fällt in diese Kategorie, da der Verkehr anstrengend ist, aber neben vielen Lüsten auch das Gefühl aufkommen lässt, anstrengungslos zu sein. Wer sich beim Sex angestrengt fühlt, macht auf diese Weise etwas nicht richtig, da die Definition des Sexuellen auch darin besteht, Kraftaufwand als Leichtigkeit zu empfinden. Es gibt sogar Leute, die haben Sex, um in ihrer Verausgabung schwebende Leichtigkeit zu empfinden.
Sebastian Knöpker