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Phänomenologie der Verzweckung

Viele Menschen empfinden eine tiefe Skepsis, wenn sie menschlichen Umgang pflegen, der nicht im Rahmen einer bestimmten Aufgabe geschieht. Allgemein hegen sie eine Skepsis gegenüber dem Leben ohne funktionale Aufgabe. Deswegen arbeiten sie solange, wie es überhaupt Arbeit gibt. Und dennoch: auch sie müssen irgendwann Freizeit verbringen.

Die Lösung besteht in einer unauffälligen Verzweckung der freien Zeit. Wer sich so beim Grillen als wertvolles Element für die Gemeinschaft zeigt, das Feuer am Laufen hält und die Würstchen wendet, hat Freizeit und Zweck gut unter einen Hut gebracht.

Auf diese Weise bezweckt kann er sich dann auch freuen. Ohne Mindestausstattung an Zweck wäre das nicht möglich, da Funktionieren und das Die-Seele-baumeln-Lassen bei diesem Menschentyp voneinander einseitig abhängig ist. Es ist zwar wohl möglich, ohne Lust zu arbeiten, nicht aber, ohne Arbeit Lust zu empfinden.

Weit davon entfernt, eine Form scheiternden Daseins zu sein, handelt es sich um eine Existenzbedingung, die ebenfalls der Selbstverfeinerung zugänglich ist. Beispielsweise lässt sich der Zwang zur fungierenden Fundierung nutzen, um systematisch alle Fußballstadien einer Liga zu besuchen. In der Oberliga Niedersachsen gibt es 18 Vereine und 18 Spielstätten. Besucht man ein Stadion, so bleiben noch 17 und der gesuchte Zweck ist da. An ihm kann man sich ausrichten, die Liga „fertig machen und voll kriegen“ und dabei zugleich Spaß am Geschehen haben.

Denn es macht Spaß, auf die Dörfer zu fahren, und kleine Sehenswürdigkeiten zu entdecken, im Vorübergehen mitzunehmen. Der Besuch beim SC Spelle-Venhaus kann so mit einem kleinen Gang durch das Dorf Venhaus kombiniert werden, wo eine Kirche mit Wassergraben zu sehen ist. Diese Kleinigkeit wird dann später mit tiefgefrorenen Apfelsinen, die aus dem Gästeblock geworfen werden, abgerundet werden und es ergibt sich ein runder Tag.

Bedingung dafür ist die Liste – die 18 Stadien, die abgehakt werden müssen (ein Zweck, der selbstverständlich ist, zugleich aber keinerlei Sinn ergibt). Sie gibt den Rahmen des Fungierens ab, der die bereitwillig nachrückenden Lüste fundiert und ermöglicht. Ohne sie gäbe es keinen roten Faden, keine durchgehende teleologische Finalität, mit der sehr unterschiedliche Erlebnisse miteinander zu einem gelungenen Tag verschmolzen werden.

Sebastian Knöpker