Wer ernsthaft denkt, runzelt unwillkürlich die Stirn, was einen bekümmerten Gesichtsausdruck nach sich zieht. Der so bewölkte Gesichtsausdruck erzeugt beim Beobachter von Außen den Eindruck von Sorge, während sich der Denker selbst freut.
Man kann unmöglich das Gesicht entwölken, dabei also nicht mehr denken, nur damit die Mitmenschen erleichtert sind und sich keine Gedanken mehr machen müssen. Das Ausdruckgelände namens Gesicht benötigt stattdessen eine allgemeine Propaganda, dass beim Denken nun einmal die Gesichtsmuskeln unvorteilhaft in Bewegung versetzt werden.
In Beziehungen spielt sich oft eine streitbare Mikrophysik der Macht ab, wonach der Partner nicht die Stirn runzeln soll. Dieser Konflikt ist natürlich unlösbar, da das Anstrengen dieser Muskeln unkontrollierbar ist. Es hat eben auch etwas mit dem inneren Zustand des Runzlers zu tun, mit dem Denken, das schon gar nicht kontrolliert werden kann. Wer diesen Zustand von sich nicht kennt, weil er eben nicht denkt, hat selbst immer ein schön glattes Gesicht. Aber er sieht nicht, dass hinter dem unfreundlichen Gesicht ein oft erfreuliches und erhebendes Denken steckt.
Natürlich ist aber auch nicht jedes Runzeln so zu verstehen. Es gibt auch menschliche Gesichter, die wie zerknitterter und wieder gerade gestrichener Karton aussehen. Ihnen sind Dinge zugestoßen, ohne sie innerlich zu erreichen, was die mangelnde Qualität der Dauerrunzeln erklärt.
Außerdem gibt es Menschen, vor deren Gesicht immer eine dunkle Wolke vorbeizuschweben scheint. Sie sind wirklich verdrossen, denken nicht viel und wenn, dann daran, wie mürbe und aussichtslos das eigene Leben ist. Solche Runzeltypen sind also tatsächlich bekümmert; bei ihnen spielt sich nichts Ernstzunehmendes ab.
Halten wir fest: phänomenologisch geht es darum, den Ausdruck des Denkens als Verzerrung von Gesichtsmuskeln mit dem Denken und der Lebendigkeit wie der Freude daran zusammenzubringen. Das schützt vor kulturellen Missverständnissen zwischen Denkern und Nichtdenkern.
Sebastian Knöpker