Wer sich jeden Tag aus Geiz nur eine neue Socke anzieht und eine alte am Fuß lässt, sieht den Gegenstand der Socke vom Thema der Knauserei her. An einem guten Tag hingegen können aber auch zwei neue Socken auf einmal angezogen werden: das Thema lautet dann „Verausgabung“. Werden aber überhaupt neue Socken gekauft, weil der Winter so kalt ist, geht es um das Thema der Gesundheit. Der thematische Wechsel eines identischen Gegenstandes bildet dabei einen Gegenstand für sich: die thematische Durchquerung.
Ein Thema kann unterschiedliche Gegenstände durchdeklinieren, wobei die Gegenstände wechseln, das Thema aber gleich bleibt. Ist das Thema der Zufall, sind die Lottozahlen, die Katze vorm Haus und die Wolken im Himmel die wechselnden Gegenstände der durchgehaltenen Thematik.
Umgekehrt kann sich ein Gegenstand in seiner Identität trotz unterschiedlicher Themensetzungen erhalten. Die Socken werden einmal vom Geiz, dann von der Gesundheit und in der Folge von der Verausgabung her gesehen, bleiben aber in ihrer angestammten Gegenstandskategorie.
Dabei bildet sich aber der neue Gegenstand der thematischen Durchquerung, was sich gut bei einer Reihenverkostung zeigt. Verkostet man kanarische Kartoffeln, dann Purée de pommes de terre, frittierte Kartoffelwürfel, eine Kartoffel-Potage etc., wird die Kartoffel unter den Aspekten Salz, Fett, Konsistenz und Polyphonie dekliniert.
Die Kartoffel steht immer im Mittelpunkt und ihre thematischen Abschattungen ergeben im Processus der Verkostung einen eigenen Gegenstand. Es wäre nicht richtig, die Reihenfolge der Kartoffel-Variationen aufzuzählen, wenn man sich an die Degustation erinnern will. Entscheidend ist die thematische Durchquerung der Kartoffel, die das Erlebnis im Kern ausmacht.
Die wechselnden thematischen Setzungen im identisch durchgehaltenen Gegenstand übertreffen also die Gegenstandsidentität, da die Themenreihe ihre Zeitlichkeit überwindet, die in der Bildung eines Gegenstandes für sich besteht, in der „Verkostung“. Deshalb kann in einem Probierzirkel jede einzelne Variante schlecht schmecken, die Verkostung insgesamt aber gut, da die Themenfolge in eigener Logik als gut oder schlecht erscheint.
Versteht man den Begriff „Thema“ im klassischen Sinne als Setzung, so ist die Themenabfolge anhand ein und desselben Gegenstandes als Ganzes der Setzungen etwas, das zum durchgehaltenen Gegenstand hinzutritt.
Es handelt sich also um das Ideal der romantischen Ironie, die nicht nur beim Essen, sondern auch in der Musik erfahrbar ist, etwa in Bachs „Das Wohltemperierte Klavier“. Es ist ein wichtiges Prinzip der höheren Ästhetik, sich auf Basis einer leicht konsumierbaren, wohlgefälligen Abfolge von Eindrücken eine daraus sich ergebende, zusätzliche und vom Unterbau unabhängige Ebene zu erschaffen.
Sebastian Knöpker