Frisch und unzerstörbar steht der zwölfte Mann im Stadion der TSG Backnang. Er ist der einzige Fan des Fußballoberligisten, ein Ein-Mann-Fangeschwader. Wenn seine Mannschaft einmal gewinnt, merkt er sich den Erfolg gleich fürs ganze Leben.
Jede Sache lässt sich tiefer betrachten als man atmet, was auch für die TSG Backnang gilt. Der einzige Fan des Vereins lebt, isst und atmet den Club. Als geselliger Einzelgänger singt, trommelt und beleidigt mit seiner Stadionstimme das ganze Spiel über. Dabei nimmt er sich und sein Leben selbst in die Hand, wie es nur von hier, von der Backnanger TSG aus möglich ist.
Der zwölfte Mann will keine Stimme im Gemurmel der Vielen sein. Um trotzdem zu wirken, vergrößert er vor Spielbeginn seine Körperoberfläche und hängt im Stadion überall Fahnen und Transparente auf. Vor dem Anstoß marschiert er dann feierlich mit einer Schwenkfahne zum Mittelkreis und zeigt Flagge.
Sein Auftritt ist dabei weniger komisch als man denkt. Er trägt nicht die klassischen Stigmata des Außenseiters, sondern beeindruckt durch seinen engen Glauben an die Rechtmäßigkeit und den Sinn seiner Sache. Ohne die geringste Kraftanstrengung ist er einfach er selbst.
Beim VfR Mannheim sind sie noch drei Fans, die in der Angst leben, bald einer weniger zu sein, sodass sie sich als gefährdete Drei leben. Bei der SG Wattenscheid sind sie noch 40, doch ausgestattet mit dem historischen Gefühl einmal viel mehr gewesen zu sein. Sie sind nicht die Vierzig, die im Stadion sind, sondern der Rest von 2000 echten Fans, die einmal da waren. Sie fühlen sich also wie eine Subtraktion.
Die Eins aus Backnang, die keine Drei werden will, hat dieses Problem nicht. Er hätte eins, wäre er Teil einer Drei, denn wenn er aus ihr ausscheiden würde, ginge mit der Gruppe eben weiter, mit ihm aber nicht mehr. Eine Gruppe, und sei sie noch so klein, verhält sich eben zum Einzelnen indifferent, weil sie den Einzelnen spielend überdauert.
Die Phänomenologie der Zahl besagt, dass ein einzelnes Sandkorn eben noch viele andere Sandkörner braucht, um zum Haufen zu werden. Er hingegen entgeht dem Haufenprinzip und ist sich selbst eine ganze Welt. Er ist die Eins als Zwölf, die keine Drei sein will.
Sebastian Knöpker