Heidegger gilt als hoffnungslos überkritzelnder Philosoph. Das liegt am denkbar schlechten Verhältnis von Programm zu Ausführung in seinem Werk. Tatsächlich schafft er es nicht, sein Programm auch nur zu formulieren – es bleibt bei einem Programmansatz.
Ein formales Kennzeichen schlechter Philosophie ist das Missverhältnis der Programmatik zu seiner Umsetzung als Überhang des Programms. Heideggers Werk ist demnach nicht gelungen, da es ein vages Versprechen der Klärung des Sinns vom Sein als Fundamentalontologie enthält, das immer wieder neu anhebt, doch nicht konkretisiert wird.
Heidegger konnte nicht zur Erfüllung schreiten, weil sein Theoriebau in der ersten Bauphase stecken blieb und er ein Extremist des Vorwortes war. Er hält sich verdächtig lang an Vorbemerkungen auf, an feierlichen Etymologien und ideengeschichtlichen Exkursen, durch die mangelnde Robustheit des Fortschritts in der Sache überschminkt werden soll.
Bei Georg Simmel hingegen ist das Verhältnis von Programm zu Erfüllung eine Übererfüllung, soweit ist sein philosophisches Werk angeht. Er stellte sich nicht allzu hohe Aufgaben, erfüllte diese aber weit über das, was eigentlich zu erfüllen war. Seine Philosophie des Geldes heißt ja nicht Philosophie der Teleologie des Daseins, könnte aber so betitelt sein, weil er eine solche Teleologie bis in die feineren Verästelungen ausarbeitet. Simmel zeichnet sich also dadurch aus, mäßig viel zu wollen, um sehr viel mehr zu schaffen und erschaffen. Die Qualität seines Denkens ist dadurch bestimmt.
Bei Immanuel Kant wiederum ist das Verhältnis von Programm zu Ausführung in seiner kritischen Philosophie nahezu deckungsgleich. Was er sich an anspruchsvollen Aufgaben stellte, löste er auch. Die Lösungen haben analytischen Witz, wenn sie auch oft nicht überzeugen. Ihren Wert erhalten sie durch ihre Kohärenz des Denkens: nur selten mogelt Kant, um ein nicht passendes Puzzleteil passend zu machen, so dass das Verhältnis von Programm zu Umsetzung zumindest von intellektueller Redlichkeit bestimmt ist.
Allgemein ausgedrückt: Philosophie lässt sich durch den Quotienten von Anspruch zu Erfüllung in seiner Qualität näher bestimmen. Demnach ist eine chronische Unterfüllung ein sicherer Malus, Erfüllung und Übererfüllung tendenziell ein Bonus, wenn ein gewisser Anspruch formuliert wird.
Sebastian Knöpker