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Begleitender Datenmüll

Politisch korrekt die Treppe herunterzugehen heißt heute, eine Hand ans Geländer zu legen. Diese kleine Invasion in die Privatsphäre geht dabei rückstandslos auf: die sprachliche Anweisung, nie freihändig eine Treppe heraufzugehen, wird bald in die Tat umgesetzt, wird zur Gewohnheit und die sprachliche Maxime selbst beim Treppensteigen nicht mitgedacht.

Viele Anweisungen bleiben aber im Stadium der Sprachhandlung stecken. Nehmen wir Epiktets Sentenz: „Nicht die Dinge selbst beunruhigen mich, sondern die Meinung, die ich über die Dinge habe“. Würdig und recht gesprochen, aber das Nachsprechen ist nun das Problem. Denn wer sich über eine leichte Kräuselung im Alltag maßlos aufregt und sich mit Epiktets Aphorismus beruhigen will, der denkt nicht die Lösung, lässt nicht los (Befreiung von momentaner Überhöhung), sondern beschwert sich mit einer hohlen Formel.

Statt Problemlösungen hat man dann entleerte Denkbewegungen. Dieser Ballast wird mit durch den Alltag geschleift, ohne die Sachfrage anzugehen. Das Problem besteht also phänomenologisch betrachtet darin, einen Schiefstand des Alltags sprachlich zu erfassen und dazu einen halbgaren Lösungsansatz auf Sprachebene zu wählen. Dieser findet dann aber nicht den Weg zurück von der Sprache in den problembeladenen Alltag – so ziemlich bei der ersten Schwierigkeit bricht er ab und kommt nie an.

Im derzeitigen Selbstverbesserungswettrennen nimmt das groteske Formen an, da viele Menschen ständig Lösungsansätze denken und verlautbaren, die so wie Epiktets Sentenz begleitender Datenmüll sind. Schulen wie die Gewaltfreie Kommunikation laden so den Menschen mit Sprachhülsen auf, die im Alltag mitlaufen, nichts lösen, sondern einen Datenschleier hervorbringen, der in der Summe ein verwaschenes Charakterbild ergibt.

Sebastian Knöpker