Oft gibt es eine innere Notwendigkeit von Essen, Trinken und den Schuhen, die man dazu trägt. Auf der sommerlichen Terrasse kann man abends natürlich nur dann einen Pastis trinken, wenn man keine Socken dabei anhat. Anders beim Kartoffelfeuer auf freiem Feld: hier muss man Socken wie Schuhe anhaben, unter denen eine dicke Bodenschicht klebt.
Das Klima in den Schuhen beeinflusst also die Umstände der Nahrungsaufnahme. Bei Feuchtigkeit in den Schuhen braucht es so statt einem Nachtgebet einen Flachmann. Der Alkohol vertreibt zwar nicht die Nässe, wohl aber das Gefühl des Feuchten.
Anspruchsvoller ist es bei einem umfangreichen Menü, das nicht zuletzt deswegen immer auch Arbeit ist, weil man dabei ins Schwitzen gerät. Dicke, geschlossene Schuhe führen zu einer Binnenerhitzung. Deswegen braucht man Schuhe, die etwas Raum lassen und mit ihrer Umgebung im Austausch stehen, also auch über die Sohle die Luft zirkulieren lassen.
Champagner aus dem Stöckelschuh einer Frau mit optischem Auftrieb zu trinken, ist dagegen eine Angelegenheit für Golf-Cabrio-Fahrer und ist so sinnvoll, wie einen Suppenfonds aus einer getragenen Strumpfhose zu kochen. Die hilflose Geste verrät den Wunsch zum besonderen Ereignis, ohne den entsprechenden Lebensstil zu besitzen.
Eine authentische Lebensweise verrät aber das Essen am Küchentisch, auf dem vor ein paar Wochen ein Paar Schuhe abgestellt worden (und nicht vor fünf Minuten). Wenn das nicht stört oder besser gesagt, wem das nicht auffällt, der lebt ein unkompliziertes Leben. Dazu gehört natürlich auch, dass der Schuh halb im Marmeladenglas hängt. Gemeint ist dabei der Schuh, der unter dem Bett liegt, wo auch das Glas Marmelade steht und beide früher oder später zueinander finden.
Es handelt sich um eine cucina povera der Unterklasse. Sie zeichnet sich auch dadurch aus, beim Umhergehen in der Wohnung knirschende Geräusche zu erzeugen. Ist ja klar: das Knäckebrot knirscht so unter den Schuhen.
Man sieht: jede beliebige Einzelerscheinung kann Ausgangspunkt für die Phänomenologie werden. Auch noch das kleinste Phänomenon kann durch Verbindung mit anderen Data zu einem interessanten Thema werden, dessen Motiv sich erst in deren Zusammenstellung bildet. Darin unterscheidet sich die Phänomenologie von der Hermeneutik, bei der eine Bedeutung vorausgesetzt wird, während sie phänomenologisch oft erst erschaffen wird.
Sebastian Knöpker