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Intentionalität in der Phänomenologie

Dinge sind uns in der Wahrnehmung nie ganz anschaulich gegeben und haben notwendig einen Mangel an Anschaulichkeit. Trotzdem sehen wir ein Haus als Vollgegenstand und einen Hund als vollständiges Lebewesen. Was dabei an Anschauung fehlt, leistet die Intentionalität.

Sehe ich ein Haus, sehe ich nur einen kleinen Ausschnitt davon. Ich sehe nicht die Rückseite, die Seitenansichten, das Dach, das Innere etc. Trotzdem habe ich das ganze Haus in meinem Bewusstsein. Die reell gegebene Erscheinung (Teilansicht des Hauses) wird offenkundig zu einem ideellen Gegenstand, dem ganzen Haus.

Es ist deswegen ideell, weil es nicht unmittelbar gesehen wird, sondern als Idee gesetzt wird. Was wir tatsächlich „sehen“ ist die Idee eines Hauses, die von Edmund Husserl intentionaler Gegenstand genannt wird. Idee wird von ihm das genannt, was kein Medium der Anschauung aufweist und ist somit negativ bestimmt. Es ist dimensionslos und erscheint nicht als Geruch, Geschmack oder Anblick.

Wir haben also etwas, die Teilanschauung des Hauses (Frontansicht), und machen etwas daraus, den Vollgegenstand „Haus“. Auf Basis der Teilerfüllung wird der Gegenstand gesetzt, die Idee des Hauses. Diese Vermeinung des Gegenstandes heißt Intentionalität, weil das reell Gegebene hin auf das Ideelle gerichtet wird (Intention = auf etwas aus sein, Richtung nehmen).

Der phänomenologische Gegenstandsbegriff ist weit gefasst und kann dabei Person, Wert, Situation, Konstellation Geltung etc. bedeuten. Intentionalität bezeichnet demnach die Konstitution eines ideellen Gegenstandes auf Basis eines sinnlich Gegebenen (Hyle). Was an intentionalem Gegenstand im Bewusstsein gegeben ist, das ist mit anderen Worten nicht ideell und nicht reell gegeben.

Die Unterdeckung von Vollgegenstand und Teilanschauung ist dabei nur dann zu verstehen, wenn man sie anhand einer großen Anzahl an Phänomenen konkret vollzieht. Beim Haus ist es dabei so, verschiedene Seitenansichten dieses Gegenstandes zu realisieren, ums Haus herumzugehen, um dabei jeweils das, was man hat (die Anschauung) mit dem, was man ebenfalls hat (der Vollgegenstand) zu vergleichen. Bei wechselnden Ansichten ist das Ergebnis, dass man immer Unterschiedliches an Teilansicht hat, der intentionale Gegenstand hingegen derselbe bleibt.

Dieser Erhalt der Identität des Gegenstandes in der Mannigfaltigkeit seiner Anschauung macht in der Serie der wechselnden Ansichten deutlich, dass es einen ideellen Anteil gibt, den intentionalen Gegenstand. Das bedeutet auch, dass es nicht notwendig einen reellen Anteil braucht (Leerintention) und auch nicht unbedingt die äußere Wahrnehmung, da auch die die Produktionen der Phantasie reell gegeben sind.

Sebastian Knöpker