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Eigentum verpflichtet – Dinge fertig und zu Ende zu besitzen

Besitz verpflichtet oft so, das Eigentum bis zum Ende zu besitzen. Ein altes Fahrrad im Keller wird auf die Weise fertig besessen, es solange aufzubewahren, bis Rad oder Besitzer auseinanderfallen. Das Eigentum verpflichtet dann, die Habe ohne Nutzen und Nutzung zu Ende zu besitzen.

Was man einmal in seinen Besitz gebracht hat, muss man weiter besitzen. Das ist die eherne Formel der Besitzkonservativen, die Dinge nicht einfach weggeben können, weil sie diese noch nicht lange genug besessen haben.

Das Verhältnis Besitzer zu Besitz ist hier umgekehrt, da der Besitzer sich verpflichtet fühlt, seine Sachen bis zum Ende zu besitzen. Er dient ihnen, ohne irgendetwas für sie zu machen oder sie zu nutzen. Das ist eine Teleologie ohne Sinn und Verstand.

So ergeben sich Schwierigkeiten, die kaum lösbar sind, denkt man etwa an die vielen überlagerten Weinflaschen, die doch irgendwo hin müssen, nur nicht auf den Schutt. Eine Notlösung ist das Verschenken der Flaschen, so dass der Beschenkte sie nun weiterbesitzen muss. Dieser ist damit tatsächlich der Belastete, denn er muss damit rechnen, immer wieder gefragt zu werden, was er mit dem Wein gemacht hat.

Die Formel vom Fertigbesitzen lässt sich auch generalisieren, so dass man sein Leben fertig lebt. Menschen im hohen Alter neigen dazu, erbittert (nicht verbittert) die Strecke vom jeweiligen Jetzt bis zum Exitus als Selbstverpflichtung zu leben. Das hält sie am Leben und bringt einen Lebenssinn mit sich, der tragende Qualitäten hat.

Dieses Weiterüberleben bringt kleine Bestätigungen und Lüste mit sich, wenn sich beim Lesen der Traueranzeigen herausstellt, schon wieder einen Nachbarn und ehemaligen Arbeitskollegen überlebt zu haben. Es ist kein Triumph, der sich dann einstellt, aber doch eine Bestätigung, dass das Fertigleben Sinn macht und als Tugend Kraft gibt.

Etwas fertig zu bringen heißt also phänomenologisch, die Teleologie des Angefangenen ernst zu nehmen, weil es einmal als Ziel oder Zweck in Angriff genommen worden ist. Ein Fahrrad besitzt man in dieser Logik so lange, wie man noch nicht tot ist und das Rad sich nicht noch in seine Einzelteile zersetzt hat.

Das ist wichtig zu wissen, um Mitmenschen zu verstehen, die mit ihrem Eigentum geizen und stur daran festhalten. Man kann sie so besser verstehen und in diesem Verständnis die Empörung darüber eindämmen, weil es dafür eine gute Erklärung gibt.

Sebastian Knöpker