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Epoché in der Phänomenologie

Im Alltag gibt es einen Glauben, direkt mit der Welt und den einzelnen Dingen als solchen zu tun haben. So sehe ich einen Staubsauger und bin ohne weiteres Zutun davon überzeugt, dass es sich um eine Ding in der Welt handelt, das unabhängig von meiner Wahrnehmung existiert.

Tatsächlich kann ich als Mensch nichts vom Gegenstand wissen, sondern habe ihn nur als Phänomen. Was er für mich ist, das ist er nur als Erscheinung. Ob der Erscheinung ein realer Gegenstand entspricht, kann ich nicht entscheiden. Damit ich nun dem Phänomen des Staubsaugers nicht eine Wirklichkeit außerhalb seiner phänomenalen Erscheinung zuspreche, brauche ich die Epoché als Urteilsenthaltung.

Das Urteil „Staubsauger existiert in der Welt“ ist demnach nicht zu vollziehen, so dass es bei der rein phänomenalen Geltung bleibt. Diese besteht darin, es mit dem Phänomen „Staubsauger“ zu tun zu haben.

Das entspricht der Haltung eines Detektivs, der eine Aussage eines Verdächtigen weder als falsch noch als wahr auffasst, sondern die Aussage zunächst als solche hinnimmt. Er entscheidet nicht, ob damit ein Weltgeschehen oder ein Phantasieprodukt zum Ausdruck gebracht worden ist, sondern hält diese Zuordnung zur Welt oder zur Phantasie zurück. Kurz: er vollzieht nicht den Akt, zu glauben oder nicht zu glauben.

Somit liegt es am Subjekt, dem Phänomen eine Geltung außerhalb des Phänomenalen als Erscheinung zuzuschreiben oder nicht. In der Epoché wird der Ding- und Weltglaube außer Kraft gesetzt, so dass nur das bleibt, was dem Subjekt als Erscheinung sicher gegeben ist. Denn das Phänomen des Staubsaugers ist unbezweifelbar, doch nicht der Gegenstand und auch nicht seine Existenz in der Welt.

Epoché meint somit das Nichtvollziehen einer Existenzaussage, dass etwas jenseits des Phänomens existiert und einer Welt angehört. Sie setzt eine Anstrengung voraus, den Akt der Weltsetzung nicht zu vollziehen und ist nicht dauerhaft gesichert. Die Epoché muss immer wieder vollzogen werden.

Der Nutzen der Urteilsenthaltung besteht darin, die unkritische Voraussetzung auszuschalten, etwas sei tatsächlich in der Welt gegeben. Die Epoché schafft so die Grundlage und den Ausgangspunkt für das Erkennen.

Historisch geht sie auf die antike Skepsis zurück und meint Zurückhaltung des Urteils, wo nicht mit Sicherheit geurteilt werden kann. Bei den alten Griechen hatte sie eine erkenntnistheoretische und existenzielle Bedeutung, die wesentlich darauf beruht, Urteile nicht zu vollziehen und in der so entstehenden Seelenruhe zu leben.

Sebastian Knöpker