Die schlaffe Leidenschaft fürs Reisen im Wohnmobil kann eine Stimmungsglocke der Gleichgültigkeit bilden. Sind genug Wohnmobiltouristen an einem Ort, bilden sie eine Atmosphäre, der niemand entkommt. Auch seelisch intakte Individuen werden dann davon angesteckt.
Ein Parkplatz mit lauter Wohnmobilen bildet einen affektiven Imperativ, der dazu führt, dass alle Leute im Umkreis dieselbe Gleichgültigkeitstönung annehmen. Wer sich im Einflussbereich der Wohnmobilisten aufhält, kann sich der Aura der Selbstverflachung nicht entziehen.
Der soziale Kommerz bei Wohnmobilfahrern ist dabei sehr eingeschränkt. Keiner spricht mit dem anderen. Und es ist auch klar, warum das so ist: kaum ist man auf dem nächsten Parkplatz, sind auch schon andere da und dann will man so schnell wie möglich wieder fort, um sich weniger unvorbereitet unter günstigeren Umständen wiederzubegegnen. Also nie.
Außerdem kennt man sich schon: alles sind irgendwie vom selben Stamm, Rentner, die früher für drei gearbeitet haben und nun merken, wie schwierig es ist, Kaufkraft in echtes Leben umzuwandeln. Und dann sind da noch junge und ehrgeizige Familien, die alles richtig richtig machen wollen. – Das Sortiment ist übersichtlich und typisiert, so dass ein richtiges Gespräch auch nicht lohnt.
Die Vergleichgültigung der Wohnmobilisten ist dabei nicht nur eine räumliche Atmosphäre, die ansonsten erfreulich intensive Existenzen rücksichtslos mit sich einlullen und herunterziehen. Sie ist auch eine Grundgestimmtheit, die vor jedem schönen Erlebnis das Erleben schon nivelliert. Es handelt sich um ein Erniedrigungszeichen, das aus Gewohnheit alles enthöht.
Die Vergleichgültigten müssten desöfteren ihre Komfortzone verlassen, sich körperlich anstrengen, vom Regen durchnässt werden und das ganze Reisesortiment an Widerständen an sich heran lassen. Es geht also um eine Verbesserung der Qualität der Probleme auf einer Reise: wer sich nur darüber Sorgen macht, ob er am Abend auch einen guten Stellplatz unter einer Straßenlaterne bekommt oder ohne Laterne auskommen muss, dessen Probleme sorgen für Selbstverminderung.
Die verminderte Resonanzfähigkeit hat demnach mit einem Mangel an Widerständen zu tun. Das Vermeiden von Widerstand ist aber gerade das Kernstück der Reise im Wohnmobil. Es ist alles da, nur an der richtigen Friktionsfrequenz fehlt es.
Das Resultat ist dabei nicht nur eine Gleichgültigkeit, sondern ein Gleichgültigkeitsstil als Grundfärbung und Tönung des Lebens selbst. Phänomenologisch ausgedrückt liegt eine Stimmung (mir eher egal), eine Gestimmtheit (Gleichgültigkeitstönung) und eine Atmosphäre (räumlich ausgedehntes und alle ergreifendes Gefühl) vor. Stimmung, Gestimmtheit und Atmosphäre greifen beim Wohnmobilisten dabei so geschickt ineinander, dass er der Selbstversandung nicht mehr entkommen kann.
Sebastian Knöpker