Ein starker Schnaps lässt den ganzen Kopf mit Schmerz und Brennen erschaudern. Das ätzende Kopfgefühl ist ein Gefühlsüberschwang ohne Ventil, wirkt zu stark, lässt aber das Konzept „Schmecken mit dem Kopf“ gut spüren. Spaß macht die Kopfsache namens Geschmack erst mit dem salzig-sauren Salmoriglio.
Das Schmecken ist im Alltag zu stark auf Oberflächen reduziert: geschmeckt wird auf der Zunge und im Mundinnenraum. Der Feinschmecker will aber mehr: er will mit dem ganzen Körper schmecken und die erste Etappe dazu ist es, den Geschmack auf den Kopf auszudehnen.
Das ist ja wohl einfach: in eine Zitrone beißen und die Säure-Schmerz-Welle in sich spüren, kann jeder. Dann hat man sein Erlebnis, aber es ist noch nicht angenehm. Zitronensaft lässt sich aber gut mit Salz, Knoblauch, Petersilie und Olivenöl mischen, ergibt dann Salmariglio, das einen Säure-Salz-Schauer erzeugt, der den Kopf angenehm durchdringt.
Salmoriglio kombiniert das Schmecken mit der Zunge, den Kopfschauder und das Schmecken mit dem Magen. Dieser meldet sich erfreut zur Stelle, wenn alles noch im Mund ist. Der Magen bejaht vorausschauend, während er bei ranziger Butter ebenso im Vorfeld verneint. Ja / Nein sind dabei kein neutralen Informationen, sondern Lust oder Unlust.
Magen und Darm schmecken mit, wollen oder wollen nicht, was noch gar nicht da ist, und kombinieren so im Falle von Salmoriglio den guten Geschmack mit dem Steckdosen-Kopf-Faktor mit einem guten Ausbauchgefühl. Dieselbe Kombination lässt sich auch bei einer vollreifen Birne erleben, wo die weiche Saftigkeit den ganzen Leib mit einem angenehmen Gefühl von Weichwerden durchdringt. Die Körperkonsistenz ändert sich also, bekommt einen schönen Schmelz und führt zu einem Ganzkörpererlebnis. Dieses umfasst dann auch die Verdauung, die eine im Voraus erfreuliche Einschätzung zur Ernährungslage abgibt.
Phänomenologisch betrachtet sind also Birne und Salmoriglio miteinander verwandt: sie schmecken nicht einmal ähnlich, doch kombinieren sie Geschmacksorte miteinander (Kopf, Zunge, Bauch). Auf diese Weise lässt sich dasselbe bei völlig unterschiedlichen Geschmacksbildern schmecken. Die phänomenologische Sichtweise ermöglicht das ganz Andere als eben Dasselbe zu bestimmen.
Sebastian Knöpker